Fatigue (Materialermuedung) FEM

Einführung in die Materialermüdung

Der nachfolgende Text bietet einen einfachen Einstieg in die Thematik der Materialermüdung an. Wer mit dieser Thematik schon vertraut ist und nur ein wenig die Einflussparameter auffrischen möchte, der sollte den ersten Textblock einfach kurz überspringen und sich die entsprechenden Absätze durchlesen.

Abbildung 0: Rekonstruktion der Trümmerteile eines Flugzeugs des Typs De Havilland Comet;
Besonderheit: Das Dachfenster (Siehe schwarzer Pfeil) [4]

Was haben der ICE-Unfall in Eschede 1998 und die Flugzeugabstürze des Typs De Havilland Comet (Abb. 0) im Jahr 1954 gemeinsam? Bei beiden Unfällen sterben tragischerweise Menschen ohne einen offensichtlichen Grund. Denn in beiden Fällen funktioniert anfangs alles richtig, aber nach einigen Betriebsstunden versagen sicherheitsrelevante Bauteile. Wie kann dieses Phänomen näher beschrieben werden? Offensichtlich führen erst zahlreiche Wiederholungen von Belastungen zu einem Bauteilversagen. Dieses Phänomen wird als Materialermüdung bezeichnet, war jedoch schon lange vorher bekannt. Ein erster systematischer Ansatz zur Beschreibung des Phänomens wurde von August Wöhler 1870 definiert. Als Eisenbahningenieur wurde er damit beauftragt Unfälle in der Eisenbahnindustrie zu untersuchen, die auf plötzliches Materialversagen zurückzuführen waren. Genau wie bei den anfangs genannten Beispielen trat das Phänomen erst nach geraumer Zeit auf. Wöhler war der erste, der logarithmische Diagramme zur Beschreibung des zyklischen Materialverhaltens verwendete. Warum tat er das? Vermutlich fiel ihm gleich zu Anfang die starke Streubreite der Betriebsdauer bis zum Versagen auf. Das Spektrum reicht von Kurzzeitfestigkeit bis zur (quasi) Dauerfestigkeit (Mehr dazu im Folgenden). Die Untersuchungen von Wöhler zeigten mit geringer werdender Wechselspannung eine Erhöhung der möglichen Schwingspiele. Natürlich gibt es erhebliche Streuung auf den verschiedenen Spannungsebenen, deshalb wird ohne Angaben nur der Median abgebildet. Der Median zeigt die Grenze bei der 50 % der Ergebnisse darunter liegen.Wöhler hat mit seinen Versuchen das Phänomen der Materialermüdung empirisch umrissen, aber erst in den letzten Jahren gelang es die mikroskopische Ursache der Schäden zu lokalisieren. Die Messwerkzeuge wurden schlicht genau genug um den Nachweis zu erbringen. Durch diese wurde sichtbar, dass zyklisches plastisches Fließen für das Versagen nach einer gewissen Lastspielzahl verantwortlich ist. Einteilen lässt sich der gesamte Prozess folgendermaßen: Es beginnt mit einer Rissinitiierung unabhängig vom Material, gefolgt von einer Rissausbreitung, die zum endgültigen Bruch führt. Die Anzahl der Zyklen bis zum Versagen wird als Lebensdauer bezeichnet. Vorweggenommen sei, dass wenn die Belastung unter die Fließgrenze fällt, die Rissausbreitung entsprechend kurz ausfällt.

Einflussgrößen der Materialermüdung

Ermüdungsversuche werden oft mit poliertem Material durchgeführt, da auch die Oberfläche einen Einfluss auf das Ergebnis haben kann. Die folgenden Abschnitte zeigen die Vielzahl der möglichen Einflüsse auf die Lebensdauer.

Anzahl der Zyklen bis zum Versagen

Das Ermüdungsverhalten von Werkstoffen wird meist durch eine doppelt logarithmisch skaliertes S-N- oder Wöhler – Diagramm beschrieben. Darin aufgetragen ist die Spannungsamplitude über der Anzahl der Zyklen. Wichtig: Eine aufgemalte Linie mag dazu verleiten eine Versagensgrenze zu ziehen, dabei beschreibt die Linie meist nur den Median. Mit anderen Worten versagen bei Erreichen der Linie schon 50 % der Teile.  Da mit erhöhter Zyklenzahl Materialien schon bei geringeren Spannungen versagen, hat die Linie eine negative Steigung. Von 10⁴ bis 2×10⁶ spricht man von Zeitfestigkeit (engl. High Cycle Fatigue), darunter von Kurzzeitfestigkeit (engl. Low Cycle Fatigue) und darüber von (quasi) Dauerfestigkeit (engl. Very High Cycle Fatigue)[1].

Art der Belastung und Größe der Probe

Die einachsige Spannung kann entweder das Ergebnis einer axialen Belastung oder einer Rotationsbiegung oder einer Kombination aus beidem sein. Im Gegensatz dazu hat eine flache Plattenbiegung (Dicke << Breite) keinen uniaxialen Spannungszustand. Der klassische Bernoulli Balken mit seiner neutralen Faser ist hier das beste mathematische Modell. Dadurch dass die Spannung mit dem Abstand zur neutralen Faser zunimmt, tritt die höchste Spannung an der Oberfläche des Materials auf und deren Einfluss gewinnt dadurch an Bedeutung (Mehr dazu im Abschnitt Oberflächenzustand). Zurück zu den uniaxialen Spannungszuständen: Die Rotationsbiegespannung wird durch die Probengröße beeinflusst, bei axialer Spannung ist die Probengröße irrelevant. Der Grund dafür ist der relevante Abstand zur neutralen Achse der Torsionsbelastung [1].

Spannungskonzentration

Ermüdungsbrüche treten bei Spannungsniveaus unterhalb der Fließgrenze auf. Hintergrund: Eine plastische Verformung kann sich positiv auf Stellen mit einer konzentrierten Spannung auswirken. Durch lokales Fließen entschärft sich die Spannungsspitze. Unterhalb der Fließgrenze ist das nicht mehr möglich und die Kerbwirkung gewinnt an Bedeutung.

Oberflächenzustand

Raue Oberflächen sind mikroskopisch eingekerbt. Das bedeutet, dass mit zunehmender Rauigkeit ein zyklisch mit flacher Plattenbiegung oder Torsion belasteter Werkstoff eher zum Versagen neigt. Der Grund dafür ist, dass die mikroskopischen Kerben unter zyklischer Spannung als Startpunkt eines Risses wirken. Bei früherem Riss kann das Material weniger Zyklen aufnehmen. Ermüdungsprüfkörper haben deswegen polierte Oberflächen was bei der Übertragung auf herkömmlich gefertigte Bauteile berücksichtigt werden sollte.

Korrosionsermüdung

Korrosion reduziert die Dauerfestigkeit drastisch. Eine Dauerfestigkeitsgrenze ist nicht möglich, wenn ein Material einem aggressiven Medium wie Luft oder Körperflüssigkeiten ausgesetzt ist. Korrosion ist die Reaktion zweier Materialien, die ein neues Material erzeugt. Auch Titan reagiert zum Beispiel zunächst mit Luft, aber dadurch eine Oxidschicht, die weitere Korrosion verhindert. Im Gegensatz dazu wird herkömmlicher Stahl in Salzwasser oder Luft wird porös. So werden auch tiefere Schichten dem korrosiven Medium ausgesetzt. Beispiel: So kann ein Stahlblock von einem Meter Dicke komplett durchrosten [2]. Das oxidierte Material hat eine geringere Ermüdungsbeständigkeit und Korrosion wirkt sich dadurch negativ auf die Lebensdauer aus.

Einfluss Oberfläche

Ob die Oberflächeneigenschaften einen Einfluss auf die Ermüdungslebensdauer haben, hängt von der Lage der Belastungsspitzen ab. Bei der Plattenbiegung tritt die Spannung auf der Oberfläche auf. So hat die Oberfläche zustands- und belastungsabhängig Einfluss auf die Ermüdungslebensdauer.

Spannungsbereich

Ein duktiles Material, das über die Fließgrenze hinaus beansprucht wird, erhöht die Elastizitätsgrenze für Spannung, senkt aber die Grenze für die Kompression. Dieser Bauschinger-Effekt führt zu einem vorgespannten Material. Durch die Vorspannung werden weitere zyklische Belastungen der gleichen Art abgefedert und ihr schädlicher Einfluss auf das Vernachlässigbare reduziert. Das ist nur ein Beispiel für ein bestimmtes Verhältnis von Amplitudenspannung und Mittelspannung. Versucht man weitere Beispiele einfachere Beispiele heranzuziehen läuft es immer wieder auf diese beiden Spannungen hinaus. Der Werkstoff gibt dabei das Versagens -kriterium aus dem Verhältnis der beiden Spannungen vor. Es ist wichtig, zunächst diese beiden Belastungen zu erklären. Sie werden durch den maximalen Spannungswert sigma_max und den minimalen Spannungswert sigma_min definiert. Je nach Vorzeichen (+ oder -) kann es sich entweder um Druck- oder um Zugbelastung handeln. 

Die mittlere Spannung wird definiert durch

und die Amplitudenspannung durch

daraus lässt sich wiederum das R-Verhältnis ableiten:

Das Verhältnis zwischen minimaler und maximaler Spannung wird als R-Ratio bezeichnet. Es ist wichtig, die verschiedenen Regionen des R-Verhältnisses zu erwähnen. Die Belastung wird vollständig umgekehrt und als Wechselbelastung bezeichnet, wenn die Bedingung R = -1 erfüllt ist. R < 0 gibt den alternierenden Bereich an. R >= 0 wird als schwellende Belastung bezeichnet.

Restspannung

Es gibt schon vor der eigentlichen Belastung Eigenspannungen im Material. Diese beeinflussen das Verhalten unter der eigentlichen Belastung. Woher kommen diese Eigenspannungen? Sie kommen meist aus der Produktion des Rohteils beziehungsweise aus den darauffolgenden Fertigungsprozessen [1]. 

Überlastungen während der Lebensdauer können auch die Eigenspannungsverteilung verändern. Sandor [2] stellt fest, dass gelegentliche Überlastungen neben anderen Untersuchungen zu Eigenspannungen sogar einen positiven Einfluss auf die Lebensdauer haben können. Nicht immer aber hat die eingebrachte Restspannung einen positiven Einfluss auf das Ermüdungsverhalten. 

Ob nun durch Produktion oder Überlastung eine Eigen- bzw. Restspannung eingebracht wird spielt keine Rolle. Wichtig ist letztlich der Einfluss auf die mittlere Spannung. Denn diese bildet wie schon erwähnt zusammen mit der Amplitudenspannung das Versagenskriterium.

Ein etabliertes Vorgehen zur Ermittlung des Versagenskriteriums und der daraus resultierenden Rissbildung ist nach Goodman (siehe Abb. 1). Umfangreiche Diagramme wie das Haigh-Diagramm [17] können sogar das Spannungsniveau vorhersagen, bei dem sich Risse bis zum endgültigen Versagen ausbreiten.

Entsprechend ist auf einem bestimmten Belastungsniveau n_i die Kumulation aller angewandten Belastungszyklen und N_i die Anzahl der möglichen Belastungszyklen.

Abbildung 1: Goodman Diagramm zeigt auch den wesentlich konservativen Gerber Ansatz

Kurz- bis Dauerfestigkeit

Abbildung 2:  Quasi-statische und Formen des Versagens durch Ermüdung von links nach rechts: Gewaltbruch, Versagen durch plastisches Fließen (plastische Deformation im Bruchbereich), hochzyklischer Bruch (Nur elastisches Versagen) 

Bei abnehmender Belastung kann ein Material mehr Zyklen aushalten. Der Versagenswiderstand nimmt mit der Anzahl der Wiederholungen zunächst deutlich und dann nur noch geringfügig ab. Deshalb werden Wöhlerkurven zumindest auf einer einzigen logarithmischen Skala aufgetragen. Kurz- und Dauerfestigkeit haben ihren Übergangsbereich je nach Material zwischen 10^3 und 10^4. Egal wo sie beginnt, die Dauerfestigkeit erfordert den spannungsbasierten Ansatz. Kurzzeitfestigkeit hingegen wird nur bei elastisch-plastischem Materialverhalten gewählt. Siehe folgende Abbildung für weitere Erläuterungen.

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Quellen: 

[1] Warren C. Young, Richard G. Budynas, Ali M. Sadegh, and Raymond Jefferson Roark. Roark’s formulas for stress and strain. McGraw-Hill, New York, eighth edition edition, 2012

[2] Bela I. Sandor. Fundamentals of cyclic stress and strain. The Univ. of Wisconsin   Press, Madison, 1. print edition, 1972.

[3] Ralph I. Stephens. Metal fatigue in engineering. A Wiley-interscience publication. Wiley, New York NY u.a., 2. ed. edition, 2001.

[4] https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/70/Comet_1_G-ALYP_-_wreckage_recovered_png.png